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Wertermittlung eines Anteils an einer Personengesellschaft
(BFH Urteil v. 17.06.2020 - II R 43/17)
Der BFH hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass im Rahmen der
Bewertung eines Anteils an einer Personengesellschaft für Zwecke der
Schenkung- bzw. Erbschaftsteuer das typisierende Aufteilungsschema gemäß § 97
Abs.1a BewG selbst dann anzuwenden ist, wenn der so ermittelte Wert von dem
gemeinen Wert der Beteiligung abweicht. Eine Ausnahme besteht nur für den
Fall, dass ein niedrigerer Wert durch zeitnahen Verkauf des Anteils oder
mittels Gutachten nachgewiesen wird.
Der Entscheidung lag der folgende Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin ist Alleinerbin ihres 2014 verstorbenen Bruders, der mit einem
Anteil von 64 % als Kommanditist an der H KG (KG) beteiligt war. Weitere
Kommanditisten waren A mit einem Anteil von 31 % und B mit einem Anteil von 5
%. Die KG wurde mit Eintragung im Handelsregister am 30.01.2013 aufgelöst. Zum
Todestag des Erblassers - als maßgeblicher Bewertungsstichtag - war noch
positives sowie negatives Betriebsvermögen der KG vorhanden. Das Kapitalkonto
des Erblassers wies einen positiven Wert von 124.513,94 € auf; die
Kapitalkonten von A und B wiesen beide jeweils negative Werte von 84.914,50 €
bzw. 36.521,97 € auf. Der Substanzwert der KG betrug -7.265 €.
Die Klägerin ermittelte im Rahmen der Steuererklärung einen Negativwert ihrer
Beteiligung, indem sie die Summe der Kapitalkonten vom Substanzwert der KG
abzog und von diesem Wert entsprechend der Gewinnbeteiligung des Erblassers 64
% ansetzte.
Das Finanzamt war der Auffassung, dass eine Saldierung der verschiedenen
Kapitalkonten entsprechend dem Aufteilungsverfahren nach § 97 Abs.1a BewG
nicht zulässig sei. Das positive Kapitalkonto sei vielmehr vorab dem Erblasser
zuzurechnen. Im Ergebnis gelangte das Finanzamt so zu einem steuerpflichtigen
Erwerb in Höhe von 117.894 €, obwohl das Betriebsvermögen und mithin der
gemeine Wert der KG einen negativen Wert aufwiesen und sich die Gesellschaft
im Stadium der Liquidation befand.
Entscheidungsbegründung:
Der BFH gab dem Finanzamt Recht und begründete seine Entscheidung unter
anderem damit, dass die Bewertung eines Anteils an einer Personengesellschaft
für Zwecke der Schenkung- bzw. Erbschaftsteuer nicht voraussetze, dass sich
die Gesellschaft noch in der werbenden Phase befindet. Vielmehr kommt es
einzig darauf an, ob die Gesellschaft zum Bewertungsstichtag - vorliegend dem
Todestag - noch positives oder negatives Betriebsvermögen hat.
§ 97 Abs.1a BewG ist durch die Erbschaftsteuerreform 2009 neu gefasst worden und beinhaltet eine typisierende und generalisierende Methode zur Ermittlung des gemeinen Werts eines Anteils an einer Personengesellschaft mit dem Ziel einer vereinfachten und schematischen Wertermittlung für den Steuerpflichtigen und die Finanzbehörden.
Die Wertermittlung erfolgt in mehreren Schritten:
- Zunächst wird der gemeine Wert des Betriebsvermögens der Personengesellschaft insgesamt ermittelt. Gemäß § 109 Abs.2 BewG in Verbindung mit § 11 Abs.2 BewG ist im Wege des vereinfachten Ertragswertverfahrens der Ertragswert zu errechnen; der Substanzwert stellt dabei den Mindestwert dar.
-
Anschließend wird der so ermittelte Wert dann mittels des in § 97 Abs.1 a
BewG vorgesehenen Aufteilungsschemas auf die einzelnen Gesellschafter
aufgeteilt:
- Schritt 1: Die einzelnen Kapitalkonten sind vorab den jeweiligen Gesellschaftern zuzurechnen.
- Schritt 2: Die Summe der Kapitalkonten wird von dem errechneten Ertrags- bzw. Substanzwert abgezogen; der verbleibende Wert wird entsprechend dem Gewinnverteilungsschlüssel auf die einzelnen Gesellschafter aufgeteilt.
- Schritt 3: Der gemeine Wert des Sonderbetriebsvermögens wird ermittelt und den jeweiligen Gesellschaftern getrennt zugerechnet.
- Die Summe der in Schritt 1 bis 3 ermittelten Werte bildet letztendlich den steuerlich relevanten Wert des erworbenen Anteils an der Personengesellschaft.
Im zugrunde liegenden Fall war das Kapitalkonto des Erblassers in Höhe von 124.513,94 € im ersten Schritt dem Erblasser zuzurechnen und sodann mit dem im zweiten Schritt ermittelten Wert in Höhe von -6.619,- € zu addieren. Sonderbetriebsvermögen war nicht vorhanden. Im Ergebnis gelangte der BFH, wie zuvor auch das Finanzamt, zu einem steuerpflichtigen Erwerb in Höhe von 117.894,76 €. Eine Erbschaftsteuerbelastung seitens der Klägerin entstand also, obwohl tatsächlich keine Bereicherung vorhanden war, denn der gemeine Wert des Betriebsvermögens der Gesellschaft insgesamt war negativ.
Auch wenn bei der Gesellschaft in der Liquidationsphase zum Bewertungsstichtag tatsächlich kein zu verteilendes Vermögen mehr vorhanden ist und ein Kaufpreis für den Anteil an der Personengesellschaft nicht (oder nicht in der Höhe) hätte erzielt werden können, so ist die Bewertung des Anteils dennoch zwingend nach dem in § 97 Abs.1a BewG vorgeschriebenen Aufteilungsschema vorzunehmen. Sobald das positive Kapitalkonto des Erblassers den in Schritt zwei ermittelten negativen Wert übersteigt, führt dies unweigerlich zu einer erbschaft- bzw. schenkungssteuerrelevanten Bereicherung, da die Vorwegzurechnung der einzelnen Kapitalkonten auf die einzelnen Gesellschafter stattfinden muss. Kommt es so zu einer Abweichung vom gemeinen Wert, sei dies laut BFH aufgrund der typisierenden Bewertungsmethoden hinzunehmen. Hierbei komme es auch nicht darauf an, ob ein Auszahlungsanspruch in Höhe des positiven Kapitalkontos tatsächlich besteht oder ob dieser realisierbar ist. Irrelevant sei auch, ob ein Gesellschafter mit negativem Kapitalkonto nachschusspflichtig ist oder ob eine solche Verpflichtung wegen der beschränkten Haftung des Kommanditisten ohnehin ausgeschlossen ist.
Der BFH stellt in seiner Entscheidung unmissverständlich klar, dass ein Abschlag vom positiven Kapitalkonto aufgrund negativer Kapitalkonten anderer Gesellschafter entsprechend des eindeutigen Wortlauts des § 97 Abs.1a BewG nicht in Betracht kommt. Die Anwendung der Norm und das dort verankerte Bewertungsschema seien nur dann ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige den niedrigeren gemeinen Wert des Anteils nachweist. Ein solcher Nachweis gelingt durch zeitnahen Verkauf der Beteiligung oder mittels Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen.
Anmerkung:
Schlussendlich erscheint die Entscheidung des BFH fragwürdig, wenn man zu Ungunsten des Steuerpflichtigen einzig aus Gründen der vereinfachten und generalisierten Wertermittlung im Ergebnis zu einem steuerpflichtigen Erwerb gelangt, obwohl der Steuerpflichtige infolge fehlenden Vermögens im Stadium der Liquidation der Gesellschaft de facto keine Bereicherung erlangt hat und ein Verkaufserlös zudem und gerade deshalb nicht erzielt werden kann.
Da in solchen Fällen ein Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts durch Verkauf der Beteiligung mangels potentieller Kaufinteressenten wohl kaum gelingen wird, verbleibt dann letzten Endes einzig die Möglichkeit den niedrigeren Wert mittels Sachverständigengutachten nachzuweisen.